Redebeitrag im Rahmen der Aktionswoche Bunt.Bewegt!

Im Rahmen der Aktionswoche gegen das Nazifest 2014 gab es, wie bereits im letzten Jahr, eine Andacht mit Friedensgebet in der Kirche in Berga. Diesen Aufruf an alle veröffentlichen wir gern, da er an alle apelliert sich zu beteiligen und sich einzusetzen.

Der Pfarrer Martin Niemöller, einer der prägenden Köpfe der Bekennenden Kirche in der Nazi-Zeit, 1937 im KZ Sachsenhausen eingesperrt, sagte selbstkritisch im Rückblick: "Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen -  ich war ja kein Kommunist. Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen -  ich war ja kein Sozialdemokrat. Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen - ich war ja kein Gewerkschafter. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte."

Letztes Jahr ist Berga überrollt worden von dem rechtsradikalen Sommerfest. So ein überregionales Treffen in unserem kleinen Ort, hieß es. Das war für viele ziemlich fremd. Fremd war auch, was da unternommen werden konnte – neue Worte, neue Herausforderungen. Bürgerversammlung. Kerzengang. Freibadfest. Demonstration. Friedensgebet.

Das Konzert kam einigen vielleicht wie ein Spuk vor und sie haben gehofft, dass er so schnell wie möglich vorbeigeht und keine Spuren, keine Erinnerung hinterlässt. Aber der Spuk war nicht verschwunden, sondern gleich danach wurde eine Neuauflage angekündigt, sozusagen als Beginn einer Tradition.

In diesem Jahr war Zeit, sich darauf einzustellen und Strategien zu entwickeln. Der Gemeinderat Berga und der Verbandsgemeinderat Goldene Aue haben eine Resolution verfasst. Ämter haben überlegt, an welchen Stellen sie mit Auflagen einhaken können, bis hin zu den Toiletten. Vor allem: es gab Gegenwind aus der Zivilgesellschaft. Leute in der Region haben überlegt, was sie unternehmen können. Das Bündnis „Sangerhausen bleibt bunt“ hat von Anfang an mitgedacht, wie sie die Menschen hier in Berga unterstützen können.  Der Kreissprotbund, der Kirchenkreis, der Kreisfeuerwehrverband, der Kreistag, der Stadtrat von Sangerhausen, sie alle haben eindeutige Stellungnahmen abgegeben und sind damit an die Öffentlichkeit gegangen. Die Zeitungen haben berichtet.

Am Ende hat es sich gelohnt. In Berga hat 2014 kein Sommerfest stattgefunden. Die Veranstalter sind nach Sondershausen ausgewichen. Das hat nicht nur mit Gerichtsentscheiden, Berufungen und Auflagen bis gestern Abend und heute früh zu tun. Die vielen einzelnen kleinen und großen Bemühungen und Aktionen haben den rechten Kräften deutlich gemacht: Berga ist kein Ort, an dem sie sich unkompliziert und unwidersprochen treffen können.

Es lohnt sich, Widerstand zu leisten. Es lohnt sich, im Gemeinderat und im Ort darüber zu diskutieren, Gegenaktionen zu planen, Zeichen zu setzen.

Und es lohnt sich, das auch im nächsten Sommer zu tun und die Menschen in Sondershausen zu unterstützen, die in diesem Jahr innerhalb von 10 Tagen etwas auf die Beine stellen mussten, damit weder dort noch in Artern ein Nazifest gefeiert wird noch sonstwo in unserer Gegend.
Jeden Tag überträgt das Fernsehen Bilder von Gewalt, Unrecht und Krieg. Eine Welt, in der die Starken regieren, die Lautstarken, die Finanzstarken, die Raufbolde und Ideologiestarken, eine solche Welt ist eine unmenschliche Welt. Für das Bunte und die Vielfalt des Lebens bleibt kein Platz. Eine Welt der Starken hat keinen Platz für Suchen und Zweifeln, für welche, die sich nicht zurechtfinden, für solche, die ihre Interessen nicht lautstark in die Öffentlichkeit bringen können, für die Leisen, die Langsamen, die Bedächtigen, die Kinder, kein Platz für Schwache, für Alte, für Kranke, für Behinderte.

Als Gemeinschaft sind wir verantwortlich, dass für alle Raum ist, dass niemand hinten runter fällt, dass auch die aufgefangen werden, die es schwer haben, die fremd sind oder Krisen durchmachen.
Und wir selbst sind nicht nur stark, sondern gleichzeitig auch schwach und angewiesen auf Solidarität, darauf angewiesen, dass andere uns die Hände reichen, uns beiseite stehen, den Rücken stärken.

„Als die Nazis die Kommunisten einsperrten, die Sozialdemokraten, die Gewerkschafter, habe ich geschwiegen. Als sie mich holten, gab es niemanden mehr, der protestieren konnte“, sagt Martin Niemöller. Wenn heute über AusländerInnen  hergezogen wird, wenn Punks durch die Straßen gejagt werden, über Schwule Witze gerissen werden, dann geht es uns alle an und wir sind gefragt und unsere Solidarität.

Es tut gut, wenn wir uns einsetzen für eine menschliche, freundliche Welt. Es ist gut, wenn wir dafür Zeichen setzen, Licht in unsere Umgebung bringen so wie nachher beim Kerzengang, und unseren Mund zur rechten Zeit aufmachen.  Dazu helfe uns Gott.

Margot Runge - Berga, den 09. August 2014