Erinnern und Gedenken - Die Vergangenheit muss uns mahnen

Mit dem 14. Februar 2015 jährt sich die Bombadierung der Stadt Dresden und vieler weiterer Städte in Europa zum 70. Mal. Es geht um zahlreiche Opfer und viele Überzeugte Nationalsozialisten die das Blut jener an ihren Händen haben, jedoch die Schuld an der Falschen Stelle suchen. Diese Tatsache darf nicht vergessen werden und muss gerade in der heutigen Zeit immer wieder aufgegriffen werden, um ein solches Grauen nie wieder geschehen zu lassen.

Mit dem 13. Februar 2015 haben wir gemeinsam mit der Landrätin des Landkreises Mansfeld-Südharz - Dr. Angelika Klein, dem Oberbürgermeister der Stadt Sangerhausen - Ralf Poschmann und vielen weiteren Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Sangerhausen, sowie dem Landkreis Mansfeld-Südharz derer Gedacht, welche bei diesen Angriffen und auch durch die Taten der Nationalsozialisten ums Leben gekommen sind.

Nachfolgend veröffentlichen wir die Rede von Dr. Angelika Klein, sowie des Schülers Adrian Reiche vom Geschwister-Scholl-Gymnasium. Dieser brachte mit Beiträgen eines Augenzeugen Dresdens einen bewegenden Moment in die Versammlung und stellte zugleich den persönlichen Bezug zum antifaschistischen Mahnmal an der Marienkirche in Sangerhausen her, da dies durch seinen Urgroßvater mit erbaut wurde.

Beitrag von Dr. Angelika Klein

Ich möchte mich beim Bündnis „Sangerhausen bleibt bunt“ für diese Veranstaltung bedanken. Es ist gerade gegenwärtig ungeheuer wichtig über die Vergangenheit zu reden, aber auch über die Gegenwart und die Zukunft.
Vor 70 Jahren war der 2. Weltkrieg dorthin zurückgekehrt, wo er geplant wurde und von wo er ausging. Viele deutsche Städte lagen in Schutt und Asche. Doch Köln, Magdeburg, Dresden und Dessau, um nur einige zu nennen, waren nur die letzten in einer langen Reihe von Städten, die durch Bomben zerstört wurden.
Und wir gedenken und trauern um die Opfer. Doch wir dürfen nicht vergessen, wie es dazu kam.

Zuerst, im Frühjahr 1933, brannten Bücher.
Dann brannte Guernica. Am 26. April 1937 zerbombte die Legion Kondor die spanische Kleinstadt Guernica. 1700 Menschen, fast ein Zehntel der Bevölkerung, kam dabei um.
Im November 1938 brannten die Synagogen.
In der Reichspogromnacht vom 9. zum 10. November 1938 brannte die Synagoge in Dessau als erste in Deutschland. Sie wurde geplündert, geschändet und angezündet.
In der Nacht vom 14. zum 15. November 1940 zerbombten 440 deutsche Flugzeuge Conventry. Deutsche Bomben fielen über Warschau, Rotterdam, Belgrad und London. Diese Aufzählung ist nicht vollständig.

Und in den Krematorien der Vernichtungslager des faschistischen Deutschlands verbrannten Millionen Juden, darunter auch die verschleppten Juden Dessaus. In den Konzentrationslagern starben Sinti und Roma, Russen und Polen, aber auch Kommunisten und Sozialdemokraten, Katholiken und Protestanten, die sich dem Grauen versuchten entgegenzustellen.

Und dann kam der Krieg zurück.

Wenn wir in diesen Tagen den Opfern des 2.Weltkrieges gedenken, dann ist es Konsens bei allen demokratischen Kräften in unserem Land, dass wir auch über die eigentlichen Ursachen reden.

Dass wir Nachdenken über einen Krieg, der mit nationaler Überheblichkeit begann und mit Millionen Toten endete.
Dass wir Nachdenken darüber, dass noch 1945 Deutsche von Deutschen ermordet wurden, nur weil sie Juden waren.
Und dass wir Nachdenken darüber, dass die Bomben auf Dresden und auf andere deutsche Städte eine Antwort waren auf die Zerstörungen in London, in Coventry, in Polen, Holland und vielen anderen Staaten.

Die deutsche Geschichte selbst hat uns diesbezüglich eines Besseren belehrt. Als die Nazis 1933 durch Wahlen an die Macht kamen, waren es zunächst nur die Kommunisten und die Sozialdemokraten, die, solange sie noch protestieren konnten, protestierten. Die übergroße Mehrheit der bürgerlichen Politiker und auch der Intellektuellen waren damals der Meinung, ruhig bleiben, die wirtschaften sich sehr schnell ab.

Wir leben im Jahre 2015 und nicht 1933. Ein „neuer Faschismus“ steht trotz der großen sozialen Verwerfungen nicht auf der Tagesordnung. Und doch erleben wir gegenwärtig eine Radikalisierung der Welt. Da toben Kriege in Afrika und im Nahen Osten. Es wird um eine Friedenslösung mit der Ukraine und Russland gerungen. Und in der Bundesrepublik marschieren Pegida, Magida oder Legida. Die AfD erringt mit nationalistischen Parolen Wahlerfolge. Wir erleben eine Radikalisierung der bürgerlichen Mitte, wenn man genau schaut wer demonstriert. Und das macht mir persönlich Angst, genauso wie die Bilder aus dem kriegszerstörten Donezk oder vom Bürgerkrieg aus Syrien.

Und deshalb noch einmal meinen Dank für die Veranstaltung heute.

Sangerhausen wird bunt bleiben wie auch der Landkreis Mansfeld-Südharz.

Beitrag von Adrian Reiche

Wenn mein Vati und ich auf der Terrasse stehen und unsere Blicke in den Himmel richten, dann tun wir dies, weil wir gerne die Flugzeuge beobachten. Das ist unser Hobby. Wir erinnern uns dann an gemeinsame Urlaube oder versuchen den Flugzeugtypen zu erkennen. Dies sind unbeschwerte und glückliche Momente.
Als meine Urgroßeltern in meinem Alter waren, hatten sie keine so glücklichen und unbeschwerten Momente. Erst letzte Woche erzählten sie mir, wie sich mein Opa als Jugendlicher bei Kriegsende vierzehn Tage auf dem Heuboden verstecken musste, um nicht doch noch an der Front zu sterben. Meine Oma weiß noch ganz genau, dass auch sie viele Flugzeuge am Himmel sehen konnte. Dies waren jedoch keine Urlaubsflieger. Diese Flieger waren sehr laut und unheilvoll. Ihr Ziel waren die deutschen Großstädte: Leipzig, Berlin, Dresden.

Wir sind heute hier zusammengekommen, um uns an die Bombardierung Dresdens zu erinnern. Historisch bekannt wurden besonders vier Angriffswellen vom 13. bis 15. Februar 1945. Durch sie starben vermutlich mehr als 35.000 Menschen. Große Teile der Innenstadt und der industriellen und militärischen Infrastruktur Dresden wurden zerstört. Historiker diskutieren bis heute, ob diese Flächenbombardements militärisch notwendig und zweckmäßig waren und ob sie ethnisch und rechtlich als Kriegsverbrechen zu werten sind.
Doch was bedeuten diese Zahlen und Fakten für die Dresdner, für die Überlebenden des Krieges? Dies wird anhand von Zeitzeugenberichten deutlich. Ich möchte Ihnen von Lother Metzger aus dem Jahr 1999 vorstellen.

Lother Metzger war zum damaligen Zeitpunkt 9 Jahre alt und lebte mit seiner Mutter, seinen zwei Schwestern und Zwillingen in einer Dreizimmerwohnung im Arbeiterviertel des Stadtteils Johannstadt. Während er sich auf seinen bevorstehenden zehnten Geburtstag freute, befürchtet seine Mutter, dass ihr Mann von der Front nicht mehr zurückkommen würde.

„[…] Der Fliegeralarm gegen 21:30 Uhr war für uns als Kinder eine Angelegenheit, die wir kannten. Das Heulen der Sirenen auf dem Nachbarhaus, schnelles Aufstehen nachts, anziehen und in den Keller rennen waren wir gewöhnt. Meine große Schwester und ich trugen je eine unserer Zwillingsschwestern. Unsere Mutter betrat kurz nach uns den Keller des Hauses. Sie trug einen Notkoffer und Milchflaschen für die Kleinen. Ein Hausbewohner hatte ein Radio im Keller und mit Entsetzen hörten wir die Meldung: „Achtung, starke feindliche Bomberverbände befinden sich im Anflug auf das Stadtgebiet.“. Diese Radiomeldung ist nahezu wörtlich, für mich unvergesslich.
Kurze Zeit später hörten wir ein schreckliches, nie gehörtes lautes Brummen, die Motorengeräusche der anfliegenden Bomberverbände. Unmittelbar danach begann das Inferno der pausenlosen Explosionen und Detonationen. Unser Keller begann zu brennen und an einem Ende war er offensichtlich eingestürzt. Das Licht erlosch und verletzte Hausbewohner schrien furchtbar. Es entstand Panik und alle Hausbewohner versuchten den Keller zu verlassen. Uns gelang es. Meine Mutter und meine große Schwester trugen einen Wäschekorb, darin befanden sich unsere Zwillinge. Ich hielt meine kleine Schwester an der Hand, mit der anderen ich mich an Mutters Mantel fest. Als wir die Straße betraten, erkannte ich diese nicht mehr. Von unserem Haus war unsere 4. Etage, damit unsere Wohnung, nicht mehr vorhanden, der Rest des Hauses brannte. Ebenso standen die anderen Häuser unserer Straße in hellen Flammen. Immer wieder begleitet von heftigen Explosionen und einstürzenden Häusern. […]

Wir flüchteten in den Keller eines Hauses, welches offensichtlich unbeschädigt war, in der Nähe des Zöllnerplatzes. Dieser Keller war übervoll mit verstörten Menschen, teilweise mit schrecklichen Brandverletzungen und anderen Wunden. Der Keller war erfüllt von Wehklagen der verletzten Menschen und Rufen nach Familienangehörigen. Das Licht war ausgefalle, nur spärliche Beleuchtung durch einige Taschenlampen gab es. Viele Menschen weinten und beteten. Plötzlich hörten wir erneut diese schrecklichen, sich nährenden Geräusche anfliegender Bomberverbände und wieder begannen schreckliche Explosionen in unserer unmittelbaren Nähe. Der zweite Nachtangriff hatte begonnen. Auch dieses Haus wurde getroffen und der Keller begann zu brennen. […]

Schreckliche, unbeschreibliche Bilder zeigten sich. […]

Total übermüdet, mit verbrannten Haaren und Brandwunden, liefen wir dann am Vormittag des 14. Februar auf der Loschwitzer Straße Richtung Loschwitzer Brücke. In deren Nähe konnten wir uns in einem Haus waschen, etwas essen und endlich schlafen. Aber nur kurze Zeit, denn es begann der Tagesangriff vom 13. Februar auf die brennende Stadt Dresden. Auch dieses Haus wurde getroffen, brannte und die letzten Papiere meiner Mutter blieben in den Flammen. Völlig verstört und am Ende unserer Kräfte liefen wir über die beschädigte Loschwitzer Brücke, das „Blaue Wunder“, mit uns noch viele ausgebombte Reste unserer Familien. Wir waren nur noch Drei. […]“

Dieser gekürzte Bericht zeigt die schlimmen Auswirkungen der Bombenangriffe. Am Ende zeigte sich jedoch ein Lichtblick: die Menschen halfen sich gegenseitig. Auch meine Uroma erzählte mich, wie ihre Mutter heimlich polnischen Zwangsarbeitern mit Lebensmitteln half.

Vor 70 Jahren wurde Dresden nahezu vollständig zerstört. Heute hat sich diese sächsische Stadt zu einer blühenden Metropole entwickelt. Die Frauenkirche als einstiges Mahnmal konnte nach jahrzehntelanger Arbeit fertig gestellt werden und beeindruckt heute viele Einheimische und Touristen.
Wenn uns die Geschichte eins lehrte, dann, dass man nicht blind Halbwahrheiten und Volksverhetzung folgen darf, sondern dass man sich auf die grundlegenden menschlichen Tugenden wie Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Toleranz besinnen soll. Dies wird besondern in den heutigen Tagen angesichts der Pegida-Bewegung deutlich.

Als Mitglied der Arbeitsgemeinschaft „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ des Geschwister-Scholl-Gymnasiums Sangerhausen möchte ich an diesem Tag an die Geschichte erinnern und hoffe auf eine gewaltfreie, friedliche und positive Zukunft.